Die Schicksale der Feuerwehr in der Faschistenzeit
Kurze Blütezeit nach dem 1. Weltkrieg
Trotz des schweren Verlustes an Mitgliedern und der Loslösung der Südtiroler Feuerwehren vom Tiroler Landesverband hat der Verein gleich nach dem Kriege wieder seine Tätigkeit voller Zuversicht aufgenommen. Es gelang auch gleich wieder das normale Vereinsleben weiterzuführen: so wurden wieder regelmäßig Übungen abgehalten, es wurden auch Rodelrennen und Bälle veranstaltet, und auch Brandeinsetzen hat es nicht gefehlt – allein im Jahre 1924 rückte man fünf Mal zur Brandbekämpfung aus. Wie viele Mitglieder der Verein hatte, kann heute nicht genau festgestellt werden. Auf einem Foto vom Aufmarsch zur Glockenweihe in Oberolang am 10.04.1921 besteht die Abordnung der Feuerwehr jedenfalls aus 19 Mann (manche marschieren jedoch in den Reihen der ebenfalls abgebildeten Musikkapelle), aber zur Übung am 12.06.1921 erscheinen 50 Mann. Man hatte sich offenbar bemüht, die stark dezimierte Mannschaft durch junge Kräfte aufzufüllen. Man war wieder mit viel Eifer bei der Sache, das spricht aus den damaligen Aufzeichnungen recht deutlich. Besondere Freude machte den Wehrmännern die 1921 anlässlich des Brandes in Niederolang gemachte Entdeckung, dass man mehrere Pumpen zu einer längeren Schlauchleitung zusammenschließen und dadurch auch das Wasser bergauf in größere Höhe pumpen konnte. In Oberolang wurde diese Technik dann beim Brande des Siebenter – Anwesens in der Goste am 16.09.1922 zum ersten Mal mit Erfolg angewandt. Jedenfalls war alles in allem ein guter Aufwärtstrend festzustellen.
Auch der Bezirksverband trotz des Wechsels von der österreichischen zur italienischen Staatszugehörigkeit anfangs weiter wie von der Trennung Südtirols von Tirol. Es wurden wieder Bezirkstagungen abgehalten, zu denen die hiesige Feuerwehr jeweils Abordnungen entsandte.
Gemeinschaftsübung mit den Mitterolangern 1924
Im Jahre 1924 schrieb der Schriftführer Max Prugger ins Chronikbuch: „Was eine gut organisierte und geschulte Feuerwehr in einer Gemeinde für eine Wohltat ist, haben diese … unglücklichen Brände bewiesen… Darum wenden wir volles Interesse der Feuerwehr zu, es ist und bleibt der erste und notwendigste Verein.
Am 28.09.1924 feierte die Feuerwehr ihr 30-jähriges Gründungsjubiläum, das sich für das ganze Dorf zu einem richtigen Freudentag gestaltete. Man war guter Dinge und voller Hoffnungen für die Zukunft.
Bei 30-jährigen Gründungsfest 1924
Schwere Rückschläge durch politische Wirren
Nicht mehr als ein Jahr sollte die Freude über die erreichte Aufwärtsentwicklung noch andauern: man hatte nicht mit dem gerechnet, was Mussolini und seine Regierung in Rom inzwischen mit den Freiwilligen Feuerwehren Südtirols zu tun geplant hatten. Bereits 1924 hätte man aufhorchen müssen: am 05.05.1924 musste der Lehrer Prugger der Feuerwehr schriftlich mitteilen, die Schulbehörde habe es verboten, die Generalversammlung so wie seit der Gründung üblich im Schulhause abzuhalten. Man nahm das aber anscheinend einfach zur Kenntnis, ohne die kommenden viel schwerwiegenderen Entwicklungen zu ahnen. So kam dann am 9. Juni 1925 so etwas wie ein „Blitz aus heiteren Himmel“: der Präfekt von Trient löste auf Geheiß der faschistischen Regierung sämtliche Freiwilligen Feuerwehren Südtirols auf und verfügte die Bestellung von Berufsfeuerwehren nach gesamtitalienischem Muster. Sieben solche Berufsfeuerwehren entstanden sogleich, konnten aber die notwendigen Hilfeleistungen in den Landgegenden in keiner Weise gewährleisten.
Am 16.09.1925 brach in Oberrasen ein sehr großer Waldbrand aus. Was war zu tun? Durfte die Feuerwehr noch geschlossen ausrücken, durfte man noch die Uniform tragen? Niemand wusste es, und die Vertretungen der Oberolanger Feuerwehr, die sich trotzdem an die Brandstelle begaben und zwei Tage lang ausharrten, taten es sicher nicht mit der gewohnten Einsatzfreude. Der „ Pustertaler Bote“ berichtet darüber in seiner Ausgabe vom 16.06.1925: die Garnisonen von Bruneck, Niederdorf und Innichen hätten 600 Mann Militär zu Hilfe geschickt, auch seien Carabinieri zu Fuß und zu Pferd eingesetzt worden, um den am Brandorte im Verein mit der Landbevölkerung gegen das Feuer kämpfenden Feuerwehren der Umgebung zu helfen. 240 Hektar Wald, etwa 20.000 fm Holz seien verbrannt. Brandursache sei gewesen, dass zwei Holzarbeiter unter einem Baume ein Feuer zum Kochen angezündet hätten.
Noch im Herbst 1925 wurde von der Gemeinde eiligst eine Gemeindefeuerwehr gegründet, die aus 7 Mann pro Fraktion bestehen sollte. Zu diesen Ereignissen ein paar Stellen aus der in dieser Zeit von Max Prugger geführten Chronik:
„Nachdem niemand die Bücher, Kassa usw. vom Kassier und Schriftführer abnimmt, bleibt nichts anderes übrig, als dass wir die Bücher vorläufig behalten und eventuell oft etwas hineinschreiben.
Im Herbst (1925) wurde die neue Feuerwehr in der Gemeinde Olang mit 28 Mann (in jeder Fraktion 7 Mann) gegründet; bis heute, den 5.Juni 1926 (also nach fast ¾ Jahr) weiß noch niemand, wer Kommandant der Wehr ist, die betreffenden Mitglieder haben noch keine Feuerwehrübung gemacht usw.- Wie schlecht würde es wohl aussehen, wenn in unserem Heimatdörflein Oberolang, welches ohnedies so ungünstig zusammengebaut ist, ein Brand ausbräche. Hoffen wir das Beste und danken wir denjenigen Personen für die Erbauung der Druckwasserleitung. Diese letzte ist die größte Wohltat und teilweise Sicherung gegen einen kompletten Dorfbrand.“
„Gestern abends (04.06.1926) gegen 10 Uhr erblickte man in Niederrasen Feuer. Unschlüssig waren sämtliche Leute, was zu machen sei. Es schlug Sturm. Niederrasen bat telefonisch um Hilfe. Gefertigter ließ Feueralarm blasen. Nach Rücksprache mit dem früheren Kommandanten Alois Oberhammer, welcher alles ablehnte ersuchte ich verschiedene Leute doch zu gehen. Lippe und Sagschneider stellten freiwillig die Pferde zur Verfügung. Zu allem Erstaunen erscheinen doch im Ganzen dann beim Brande 35 Mann, alle in Zivil von Oberolang… Alle erklärten aber, dass es so mit der Unordnung in der Feuerwehr nicht weitergehen kann. Hoffentlich wird hier bald etwas geregelt.“
Offensichtlich hat die Gemeindefeuerwehr also nur dem Namen nach existiert; damals war die Meinung der Dorfbevölkerung: „Wir haben keine Feuerwehr.“ Als Kommandanten dieser wohl sehr unfreiwilligen Einrichtung scheinen 1927 auf: Franz Wieser und Hermann Mair, Bartler. Nun geschah schließlich doch, was landesweit ja auch der Fall war und von den faschistischen Behörden als Notwendigkeit eingesehen werden musste: die Gemeinde gestattete der freiwilligen Feuerwehr, inoffiziell weiter zu bestehen, und so berief Max Prugger „über Ersuchen verschiedener Besitzer und alter Wehrmänner“, wie er selbst schreibt, für den 31.07.1927 eine Vollversammlung ein, bei welcher der Verein dann „wiedergegründet“ wurde. Die Chronik berichtet aber nur von einer einzigen Übung, die daraufhin abgehalten wurde.
Erst 1931 tut sich wieder etwas: die Gemeinde erteilt nun ein regelrechtes Einverständnis, eine Freiwillige Feuerwehr zu halten. Am 21. Juni beschießt eine Außerordentliche Vollversammlung die Wiederaufnahme der Tätigkeit, neuer Schriftführer wird Peter Preindl, Lippe, der später noch so viel für diese Feuerwehr leisten sollte.
Am Tage darauf war die Beerdigung der auf tragische Weise aus dem Leben geschiedenen Messnerwirtes Alois Oberhammer, der bis zu diesem Zeitpunkt 10 Jahre Kommandant der Feuerwehr gewesen war; die Wehrmänner geben ihm in Dankbarkeit ein würdiger letztes Gleit.
Es setzte sofort wieder eine rege Tätigkeit ein, der alte Schwung kam wieder auf: Übungen, Gemeinschaftsübungen, Brandeinsätze, Rodelrennen – alles schien in bester Ordnung. Anlässlich einer Gemeinschaftsübung am 18.06.1932 sahen die Oberolanger Wehrmänner zum ersten Mal eine Motorspritze in Aktion – die Brunecker hatten sie mitgebracht -, und man kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Es sollten aber noch 14 Jahre vergehen, bis man selber eine solche erhielt.
Dass es gleich wieder so schnell aufwärts ging, hat anscheinend den italienischen Behörden doch nicht so gepasst, und sie machten sich gleich wieder daran, das Ganze zu bremsen. Die Feuerwehr wurde im Unklaren gelassen, ob die nun als „freiwillig“ neben der offiziellen, staatlich bezahlten Gemeindefeuerwehr bestehen dürfe, und diese Unklarheit führte zu einem raschem Verfall des Interesses der Feuerwehrleute, so dass sich der Schriftführer Preindl am 01.05.1934 zu folgender Chronikeintragung genötigt sah:
„Über das eineinhalb Jahr ist wohl nichts zu berichten, da am 18. Juni 1932 die letzte Übung stattgefunden hat und man seither das Wort Freiwillige Feuerwehr nicht mehr hört. Es dürfte wohl die meiste Schuld unsere löbl. Gemeinde treffen…. Ich glaub es ist wohl jedes einzelnen Bürgers Pflicht, treu und fest zusammenzuhalten, und unsere Feuerwehr soll noch eine Erinnerung sein von unserem Vätern, da uns ja jedes weitere untersagt wird.“
Im Jahre 1934 fanden noch zwei Übungen statt, und dann wurde der Verein neuerlich von der Gemeinde aufgelöst. Diesmal sollte das Vereinsgeschehen für fast 9 Jahre vollständig zum Erliegen kommen, nichtsdestotrotz standen die Feuerwehrmänner (inoffiziell) weiterhin oft genug im Einsatz.
Die Gemeindefeuerwehr
Die Geschicke, der 1925 ins Leben gerufenen Gemeindefeuerwehr, hingen natürlich ganz von Gnade und Ungnade der Behörden ab. Diese schienen allerdings kaum irgendwelche Initiative für das Feuerwehrwesen aufgebracht zu haben, alles ist wohl Theorie geblieben. Am 16.10.1926 wird die Gemeindefeuerwehr in die „Federazione Corpi Pompieri della Provincia di Trento“ eingegliedert, wobei deren Statuten anzuwenden waren. Erst am 07.04.1928 wird vom „Podestá“, dem faschistischen Amtsbürgermeister, ein Reglement für die Gemeindefeuerwehr erlassen, welches nichts weiter als eine Übernahme der von der sogenannten „Giunta Provinciale Amministrativa“ 1925 erlassenen Einheitsregelung war.
Wie in dieser ganzen Zeit das Löschen von Bränden zuging, ist aus der alten Feuerwehrchronik leider nicht ersichtlich. Einige Anhaltspunkte jedoch geben ein paar Akten, die im Gemeindearchiv von Olang aufliegen.
Vom 25.05.1932 liegt ein Beschluss des „Podestá“ auf, die anlässlich eines Brandes in Oberrasen von den Feuerwehrleuten konsumierten Getränken aus der Gemeindekasse zu zahlen, und zwar „… in conformitá agli usi locali, ma anche a compenso delle indennitá fissate dal … regolamento“, also weil es einerseits „ortsüblich“ sei, andererseits aber auch vom erwähnten Landesreglement von 1925 vorgesehen. Der Einfluss der italienischen Tradition, die nur Berufsfeuerwehren statt der Freiwilligen kennt, ist deutlich zu erkennen.
Ein ähnlicher Beschluss liegt vom 05.01.1933 vor: der „Commissario Prefettizio“ zahlt anlässlich eines Brandes eine Vergütung an die Feuerwehrmänner laut „Regolamento del Corpo Pomperi, approvato dalla Giunta Provinciale Amministrativa nella seduta del 02.05.1930“.
Die Vergütungen pro Stunde sind:
Comandante – 2,00 Lire
Vice Comandante – 1,80 Lire
4 Graduati – je 1,30 Lire
41 Pompieri – je 1,00 Lire
Die Auszahlung solcher Vergütungen ist drei weitere Male Gegenstand eines Gemeindebeschlusses, unter anderem auch beim Brand des Sägewerkes von Max Prugger (in der Gegend des heutigen Stausees – Beschluss Nr. 35 vom 03.05.1934).
Zu diesem ganzen Kapitel muss aber präzisiert werden, dass die Gemeindefeuerwehr als solche überhaupt nie aktiv wurde. Die Brände in diesen Jahren wurden immer von Männern der aufgelösten Freiwilligen Feuerwehren gelöscht, welche der Sache zuliebe halt doch jedes Mal zu Hilfe eilten. Zum Beispiel eilten am späten Abend des 04.06.1926 beim Brand das Bäckeranwesens in Niederrasen, wie bereits an früherer stelle geschildert, 35 Mann in Zivil aus Oberolang zu Hilfe und harrten bis 2.00 Uhr aus. „Die Spritze funktionierte unter der Leitung zweier alter Feuerwehrkommandanten, Josef Pörnbacher – Gasser und Georg Schöpfer – Menig, tadellos.“, schreibt Max Prugger tags darauf ins Chronikbuch. Wie man sieht, musste halt improvisiert werden, aber es ging doch.
Am 16.05.1933 forderte der „Commissario Prefettizio“ den Kommandanten der Feuerwehr schriftlich auf, eine Liste der Feuerwehrleute vorzulegen.
Der italienische Lehrer von Antholz teilte in diesem Schreiben vom 10.01.1934 der Gemeinde mit, ein Brand in seinem Schulzimmer sei von den Carabinieri und der Ortsbevölkerung gelöscht worden.
Die „Unione Regionale Pompieri – Gruppo di Bolzano“ musste am 14.06.1934 die Gemeinde schriftlich auffordern, endlich die längst fällige Einschreibegebühr der Gemeindefeuerwehr von Olang-Rasen-Antholz und die Pflichtbeiträge (für die Versicherung) von 64 Feuerwehrleuten nachzuzahlen.
Das sind ein paar herausgegriffene Episoden, aber sie zeigen deutlich, wie die Gemeindefeuerwehr nur auf dem Papier existierte und wie wenig Aufmerksamkeit und Mühe die italienischen Behörden für sie verwendeten. Man ist fast geneigt festzustellen, diese „Schreibtischgeburt“ der Gemeindefeuerwehr hat so gut funktioniert wie so manche andere auch, was der Staat glaubte selbst in die Hand nehmen zu müssen; die Freiwilligkeit hat sich immer noch als etwas vom Besten an der Feuerwehr gezeigt.
Oberolang im Jahre 1943
Auch aus dem Jahre 1943 konnten im Olanger Gemeindearchiv einige die Feuerwehr betreffende Akten aufgefunden werden:
Am Neujahrstag 1943 brannten in Mitterolang die Futter- und Wohnhäuser des Ägidius Holzer und Josef Happacher – der „Podestá“ meldete, das Militär (nicht die Feuerwehr) habe den Brand gelöscht. Augenzeugen berichten heute jedoch, dass die Brandbekämpfung von Männern der freiwilligen Feuerwehr bewerkstelligt wurde.
Am 14.01.1943 brannten Stadel und Wohnhaus des Gasthofes Neunhäusern. Im Bericht des „Podestá“ scheint nicht auf, wer die Löscharbeiten verrichtet hat.
Den Brand von Wohn- und Futterhaus des Josef Ploner („Tschotter“ – Haus) und des Lebensmittelmagazins der Agnes Plaickner in Oberolang am 26.01.1943 löschten – immer laut Bericht des „Podestá“ – nicht näher bestimmte „vigili del fuoco locale e di Brunico“.
Am 09.02.1943 schickte der „Podestá“ eine Statistik über Zivildienste in der Gemeinde ein. Über die Feuerwehr scheint auf:
“Elenco C – Corpi Vigili del Fuoco – Comando staccato: graduati 1, vigili 8, pompe 11, carri attrezzati 7.”
Die vom "Podesta´" eingeschickte Statistik 1943
Dass mit diesen Zuständen kein Staat zu machen war, versteht sich von selbst; wie musste es um diese Wehr bestellt sein, die (auf dem gesamten Gemeindegebiet von Olang-Rasen-Antholz) 11 Spritzen und 7 Gerätewagen besaß, aber nur noch einen „Graduato“ (Gruppenführer) und 8 Wehrmänner! Sicher waren viele Männer in den 2. Weltkrieg gezogen, aber das war nicht der einzige Grund: so wie allmählich die Tage des Faschismus gezählt waren, ging auch der Bestand der Gemeindefeuerwehr seinem Ende zu.
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